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Die Top 5 Themen von Vorständen und Aufsichtsräten mit Prof. Dr. Sven Hayn

Prof. Dr. Sven Hayn
Prof. Sven Hayn
Podcast “The Agenda”

“The Agenda” von Sherpany geht auf die Herausforderungen von Führungskräften ein und beschreibt den Weg von der Problemstellung bis hin zur Entscheidung. In der aktuellen Staffel tauchen wir ein in das Innerste der Unternehmensführung. Es erwarten Sie Experten-Talks zu den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit – von verantwortungsvoller Nachhaltigkeit bis zur Anwendung von Spitzentechnologien.
Begleiten Sie uns in dieser einzigartigen Gesprächsreihe, präsentiert von Podcast-Host Ingo Notthoff.

In dieser Podcast-Folge hören Sie:

Prof. Dr. Sven Hayn ist Wirtschaftsprüfer, Berater auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene sowie Professor an der Universität Hamburg. Er verfügt über 30 Jahre Berufserfahrung in internationaler Rechnungslegung, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Audit, Risikomanagement und Corporate Governance. Mit Podcast-Host Ingo Notthoff spricht er über die fünf wichtigsten Themen auf der Agenda von Vorständen und Aufsichtsräten, warum Unternehmen ein geplantes Risikomanagement benötigen, welche Schäden Hacker-Angriffe anrichten können und warum die Nachhaltigkeits-Berichterstattung der EU als Chance zu sehen ist.

  • Was beschäftigt Vorstände und Aufsichtsräte derzeit am meisten?
  • Wie sieht ein guter Risikomanagementplan aus?
  • Was bedeutet die geopolitische Lage für global agierende Unternehmen?
  • Warum ist die Nachhaltigkeits-Berichterstattung eine Chance?
  • Wie können Unternehmen proaktiv Talente aufbauen und sichern?

 

Keine Zeit für die komplette Episode? Lesen Sie im Folgenden Auszüge aus unserem Gespräch mit Prof. Dr. Sven Hayn.

Ingo Notthoff: Sven, wir sind im Vorgespräch relativ schnell aufs Du übergegangen. Wir haben heute viel zu besprechen. Ich würde sagen, wir steigen auch ins Thema ein. Was beschäftigt aus deiner Sicht Vorstände und Aufsichtsräte momentan am meisten? Was sind die Top 5 Themen? 

Prof. Dr. Sven Hayn: Ingo, das ist eine ganz hervorragende Frage. Die Themen haben sich in den letzten Jahren gar nicht so sehr verändert. Allerdings ist die Gewichtung unterschiedlich. Wenn man drei Themenkreise heraus greift, die dann auch zu den Top-Themen überzuleiten sind, ist das auf der einen Seite die Geopolitik, das Thema Nachhaltigkeit in allen seinen Facetten und dann, und das verknüpfe ich bewusst, künstliche Intelligenz und Digitalisierung, weil diese beiden Themen wirklich deutlich ineinander spielen. [...] Mit allen Dreien geht das Thema Transformation einher. Und alle drei sind auch im Bereich Risikomanagement zu berücksichtigen. Dazu zählen natürlich als weitere Unterthemen auch Fachkräftemangel [...] und Lieferketten. Das sind schon die Top 5, die auf der Agenda stehen. 

Ingo Notthoff: Was können denn Vorstände und Aufsichtsräte konkret tun, um diese Herausforderungen in den Griff zu bekommen? 

Prof. Dr. Sven Hayn: Das ist ehrlicherweise immer klassisches Risikomanagement und gute Corporate Governance. Das gilt für den Vorstand und den Aufsichtsrat, analog natürlich genauso für den Verwaltungsrat. Es geht darum, Trends zu beobachten, zu analysieren und sie so gut wie möglich zu verstehen. Auch darf man nicht vergessen, dass wir im Jahr 2024 ein so genanntes Superwahljahr haben. Über 50 Prozent der Weltbevölkerung werden dieses Jahr zur Wahl gehen. Auch daraus entstehen Unsicherheiten. [...] Jetzt geht es darum, zu fragen, was das für mein Unternehmen bedeutet, für mein Geschäftsmodell, für meine Zukunftsfähigkeit. 

Und damit komme ich zu etwas, das ich als außerordentlich wichtig ansehe, ich nenne das gerne "Denken in Szenarien". Das bedeutet, diese Szenarien zu durchdenken und zu priorisieren, sie zu beschreiben, zu analysieren und immer einen Plan B zu haben – und zwar einen vorbereiteten Plan B.

Ingo Notthoff: Was sind so die aktuellen Top-Risiken für Unternehmen?

Prof. Dr. Sven Hayn: Das sind geopolitische Herausforderungen auf der einen Seite, wirtschaftliche und regulatorische Herausforderungen, also Risiken, die aus Energiepreisen, Inflationen, aber eben auch aus neuen bürokratischen Anforderungen kommen. Es sind Risiken, die aus Fachkräftemangel resultieren und natürlich auch das Thema Cyberkriminalität. 

Das wirklich Neue und das Besondere in diesen Jahren ist, dass wir diese sogenannten Multikrisen alle parallel haben und dass sie alle parallel auf die Unternehmen wirken. Die Frage ist also, wie gehe ich damit um? Wie kann ich solche Risiken vorausdenken? Und das Wichtige ist, und das ist wirklich Ausdruck moderner Unternehmensführung, nicht hektisch, retrospektiv im Nachhinein auf etwas zu reagieren, wenn es schon eingetreten ist, sondern so gut wie irgend möglich vor vornherein vorbereitet zu sein. Das heißt, das Risikomanagement wirklich als integralen Bestandteil der Unternehmensführung zu verstehen und im Rahmen dieser parallelen Herausforderung auch diesen Plan B zu haben. Das beinhaltet auch die Themen Veränderung und Transformation.

Ingo Notthoff: Wie kann ich als Unternehmen ein unternehmerisches Risiko vernünftig einschätzen? 

Prof. Dr. Sven Hayn: Ich erstelle eine Risikoinventur, indem ich mir die Risiken, die für mein Unternehmen relevant sind, anschaue. Dazu ist die Unternehmensgröße wichtig, dazu ist die Branche wichtig, dazu ist wichtig, wie ich finanziert bin und welche Absatzmärkte ich beliefere. Und deswegen gibt es hier auch nicht one fits all, sondern das muss wirklich individuell durchgeführt werden. Ich stelle mir die Frage, bin ich personell und zeitlich richtig ausgestattet, um diese Risiken adressieren zu können? Und komme dann zu einem Thema, das mir wirklich besonders wichtig ist, was mir auch auf Vorstands- und auf Aufsichtsratsebene sehr, sehr wichtig ist: die Dinge ernst nehmen, ohne gleichzeitig zu "hyperventilieren", nicht zu übertreiben. 

Ingo Notthoff: Wie sollte so ein Risikomanagement aussehen?

Prof. Dr. Sven Hayn: Ich starte mit der ebenerwähnten Risikoinventur, schaue mir die einzelnen Risiken an, bewerte sie und priorisiere sie. Habe ich im Unternehmen die richtigen Fähigkeiten und die richtigen Kenntnisse, um diese Risiken adressieren zu können? Wenn ich beispielsweise sehe, Cybersecurity ist für mich ein wesentliches Thema, aber ich habe keinen Experten im Unternehmen, der sich damit auskennt, dann habe ich eine Lücke zu schließen. Ich frage mich im Rahmen meines internen Kontrollsystems, habe ich Kontrollen? Sind sie effektiv, funktionieren sie? Ich führe Kontrolltests durch. [...] Ich sehe gerne zwei Perspektiven. Neben der Frage, ob ich personell und zeitlich richtig ausgestattet bin, stellt sich auch die Frage, wie die individuellen Risiken, die ich festgestellt habe, auf mich als Unternehmen wirken. Die sogenannten Outs von außen auf das Unternehmen. Wie gehe ich als Unternehmen damit um und wie wirke ich denn Inside-Out auf meine Kunden, auf meine Mitarbeiter, die Märkte, die Produkte, Shareholder, Finanzierung etc.? An dieser Stelle braucht es immer beide Blickrichtungen, beide Perspektiven und eben immer auch diesen Plan B, fertig in der Schublade.

Unternehmen, die ESG nur als Marketing-Gag ansehen und nicht weiterdenken, werden möglicherweise einfach aus dem Markt verschwinden, weil die Kunden, die Mitarbeitenden und die Finanzierer weglaufen. Das werden wir nicht gleich morgen sehen, aber das ist ein Trend, der übermorgen sehr real werden kann.

Ingo Notthoff: Kommen wir zum Thema Nach ESG. Wie siehst du persönlich die verpflichtende Berichterstattung im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung? 

Prof. Dr. Sven Hayn: Ich halte das für den richtigen, ehrlicherweise auch den einzig richtigen Weg. Bisher haben wir sehr stark auf die Zahlenwelt geblickt, das Financial Reporting. Wir haben uns sehr stark auf Ratingagenturen und Analysten verlassen. Was aber in der Zukunft für die Steuerung eines Unternehmens wichtig wird, was für eine Verhaltensänderung wichtig ist, sind ja gerade diese drei Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, also E, S und G.

Aber mal ganz ehrlich, warum sollten Unternehmen die Berichterstattung als Chance sehen? Den Kritikpunkt höre ich häufig, den Kritikpunkt verstehe ich, wenn ich mir dieses überbordende Regelwerk anschaue. Und ich verstehe, dass Unternehmen frustriert sind und sagen, was kommt da auf mich zu, um diesen Reporting-Pflichten gerecht zu werden? [...] Lass uns mal gemeinsam virtuell einen Schritt zurücktreten und überlegen, was denn eigentlich durch diese Denkanstöße ausgelöst werden soll?  Ich setze mir das Ziel, den CO2-Ausstoß in fünf, in zehn, in 15 Jahren, um so und soviel Prozent zu reduzieren. Dann bin ich automatisch dabei, mich zu fragen, was muss ich in meinem Unternehmen ändern? Was muss ich in meinen Produkten ändern? Was muss ich in meinen Dienstleistungen ändern? Oder mit anderen Worten: Bin ich eigentlich langfristig als Unternehmen zukunftsfähig und überlebensfähig? [...] Und wenn wir uns dann nochmal in die Verantwortung setzen als Mitbewohner dieser Erde, dann müssen wir diese Verhaltensänderung anstoßen. Ansonsten können wir wirklich wenig hinterlassen für die zukünftigen Generationen.

Ingo Notthoff: Die Berichterstattung ist ja das eine, aber welche Rolle spielt denn Nachhaltigkeit vor allem auch bei Kundinnen und Kunden, und - du hast gerade auch schon Mitarbeitende angesprochen - vor allem auch im Kampf um die besten Talente?

Prof. Dr. Sven Hayn: Wir sehen das sehr, sehr deutlich bei den Mitarbeitenden, die darauf achten, ob sich das Unternehmen ordentlich verhält. Deswegen finde ich auch diesen Gedanken ESG, im Sinne von Nachhaltigkeit, so wahnsinnig wichtig. Environment, Social and Governance, das beinhaltet auch die Fragen: Wie gehe ich divers mit Mitarbeitern um? Habe ich D&I-Kriterien? Haben alle die gleichen Chancen, nicht nur im Hinblick auf Gender, sondern auch ethical-spezifisch? Habe ich eine ordentliche Corporate Governance, eine ordentliche Unternehmensführung? Halte ich mich an die Spielregeln? Erfülle ich im sozialen Bereich meine Verantwortung, im nachhaltigen, im ökologischen Bereich? [...]

Die Mitarbeitenden fragen sich: Für wen will ich denn arbeiten? Wir konkurrieren am Markt.  Bei den Kunden ist dieser Prozess langsamer und noch nicht intensiv genug. Wenn ich mir die Textilindustrie ansehe, schaue ich nach wie vor nach dem günstigsten T-Shirt und nicht notwendigerweise nach dem, was ethisch am fairsten hergestellt worden ist. Aber auch hier erwarte ich deutliche Verhaltensänderung für die Zukunft. Und dann kann Folgendes passieren: Unternehmen, die das Ganze nur als Marketing-Gag ansehen und nicht weiterdenken, werden möglicherweise einfach aus dem Markt verschwinden, weil die Kunden, die Mitarbeitenden und die Finanzierer weglaufen. Das werden wir nicht gleich morgen sehen, aber das ist ein Trend, der übermorgen sehr real werden kann. 

Ingo Notthoff: Was kann ich als Unternehmen tun, um neue Talente zu gewinnen und diese langfristig ans Unternehmen zu binden? 

Prof. Dr. Sven Hayn: Da wäre zum einen die Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen Ausbildungsberufen. Das Zugehen auf die Personen in den Schulen hilft aus meiner Sicht wahnsinnig, um frühzeitig eine Bindung ans Unternehmen anregen zu können. Und natürlich auch Planungssicherheit. Wenn ich eine Ausbildung, wenn ich ein Studium, wenn ich einen ersten Job beginne, möchte ich einen klaren Plan haben, wo das Ganze langfristig hinführt? Der Mitarbeitende, das Talent, fragt sich: Will ich für dieses Unternehmen tätig sein? Da bin ich wiederum bei Unternehmenskultur, bin ich bei Purpose, da bin ich bei all den Themen, die wir vorhin schon angesprochen haben. 
 

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Über den Autor
Prof. Dr. Sven Hayn ist Wirtschaftsprüfer, Berater auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene sowie Professor an der Universität Hamburg. Er verfügt über 30 Jahre Berufserfahrung in internationaler Rechnungslegung, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Audit, Risikomanagement und Corporate Governance.